An der Ecke Täubchenweg / Breite Straße stand seit Jahren ein baufälliges altes Gründerzeithaus. Es wurde bezeiten mit grünen Spannfliess abgesichert und großflächig mit einem neuen Medizinzentrum (“Medineum”) beworben. Nachdem es dort aber nie wirklich voranging und zwischenzeitlich das Plakat selbst schon abgenommen wurde (die Bauherren glaubten wohl selbst nicht mehr daran), war ich dennoch erfreut zu sehen, als sich im letzten Sommer endlich etwas regte und das Haus abgerissen wurde. Soweit so gut, “eine Brachfläche mehr” dachte ich, aber weit gefehlt. Vor einigen Tagen war dann Grundsteinlegung für ein neues Bauprojekt. In diesen Zeiten werden nun jedoch nicht mehr an jeder Ecke neue Supermärkte hochgezogen, wie es noch Mitte / Ende der Neunziger Jahre der Fall war, nein, es gibt in einer immer älter werdenden Bevölkerung einen viel einträglicheren Milliardenmarkt, das Älterwerden und die damit verbundenen Dienstleistungen!
Ich würde wohl über den Bau eines neuen “Seniorenzentrum” nicht schreiben, wenn nicht schon direkt gegenüber 2008 ein “Seniorenstift” entstanden wäre. Zwei Altenheime direkt gegenüber? Direkt mit Tram-Anbindung? Ja, fantastisch! Nun fehlt eigentlich nur noch der ein oder andere Bestatter in direkter Nähe. Es gibt zwar schon einen 200m weiter in der Breiten Straße, aber hey, einer mehr kann da gar nicht zuviel sein, oder? Schließlich werden gerade die Kapazitäten ausgebaut und außerdem koexistieren gefühlte 20 Nagelstudios und zehn Friseurgeschäfte hier in der Umgebung auch nahezu Laden an Laden.
Nicht, das man das jetzt falsch versteht, ich habe nichts gegen alte Leute. Das wäre ungefähr genauso dumm wie etwas gegen Kinder zu haben. Wir waren alle mal Kinder und wir werden alle mal alt. Was mich aber einfach erschreckt ist die volle Breitseite der Kommerzialisierung und wie sie auf so ein Stadtviertel wie das meinige trifft. Sicher schaffen diese “Zentren” Jobs in der Pflege alter Menschen, doch wer kann sich so etwas überhaupt noch leisten? Und wollen die Menschen wirklich abgeschottet von der Außenwelt in diesen Bettenburgen “verwaltet” werden? Warum entsteht nicht ein Wohnpark, wo junge und alte Menschen gemeinsam leben und sich gegenseitig helfen, wo sich auch alte Menschen mit ihrem reichen Erfahrungsschatz und ihren Ideen aktiv in den Kiez einbringen können?
Und dann ärgert mich auch das einseitige Denken der Stadtplaner in Leipzig. Soll jetzt einfach jedes baufällige Gebäude in der Umgebung in einen neuen “Seniorenstift” umgewandelt werden? Gibt es keine anderen Ideen mehr, was man sonst mit brachliegenden Flächen anstellen könnte? Ist das wirklich das Signal, was man einem Wohngebiet geben möchte, “hier werden die Alten verwaltet”…?